
Mandanteninformation
Corona-Pandemie
Wir halten unseren Kanzleibetrieb unter Beachtung der notwenigen Vorsichtsmaßnahmen für Sie aufrecht. Gewisse Veränderungen unsere Betriebsabläufe lassen sich aber nicht vermeiden.
Deshalb bitten wir Sie,
- statt eines Termins für eine persönliche Besprechung einen Telefontermin zu vereinbaren. Dies gilt sowohl für den Fall, dass wir Sie schon vertreten, als auch wenn Sie uns ein neues Mandat erteilen wollen.
- Bevorzugt möchten wir mit Ihnen Dokumente nur auf elektronischem Wege austauschen. Alternativ können Sie uns die Dokumente durch Einwurf in den Hausbriefkasten oder per Post zukommen lassen.
Allgemeine Information
Viele unserer Mandanten informieren sich gerne vorab - häufig auch digital. Wir wissen jedoch aus Erfahrung, dass gerade im Internet viele unzuverlässige oder veraltete Quellen zu finden sind. Lesen Sie lieber direkt hier auf unserer Seite monatlich aktuelle Entscheidungen zum Familienrecht und Erbrecht sowie andere für Sie relevante und interessante Informationen.
Bitte beachten Sie, dass dieser Dienst keine Rechtsberatung durch einen Anwalt oder eine Anwältin ersetzen kann. Rufen Sie uns an, wir beraten Sie gerne!
Auf dieser Seite finden Sie aktuelle Mandanteninformationen. Wenn Sie recherchieren oder ältere Ausgaben betrachten möchten, können Sie hier unser Archiv aufrufen.
Zum Thema Erbrecht
- Demenzerkrankung: Erhebliche Abweichung von der üblichen Ausdrucksweise bestätigt Verdacht der Testierunfähigkeit
- Ernstlichkeit des Testierwillens: Fehlende notarielle Beurkundung lässt nicht automatisch auf Entwurfscharakter schließen
- Fehlerhaftes Aufgebotsverfahren: Fehlen des Adressaten im Aufgebot zur Geltendmachung des Anspruchs ist erheblicher Verfahrensmangel
- Testamente und Schriftgutachten: Es genügt, wenn Richter Schriftzüge vergleichen, um zu einem eindeutigen Ergebnis gelangen können
- Zurückgewiesener Erbscheinsantrag: Antragsänderung kann gemeinsam mit einer Beschwerde eingereicht werden
Wer wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht dazu in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und danach zu handeln, kann auch kein Testament errichten. Grundsätzlich ist erst einmal von einer Testierfähigkeit auszugehen - wer sich auf die Testierunfähigkeit des Erblassers beruft, trägt die rechtliche Verpflichtung, diese feststellen zu lassen. Und genau das war dem Amtsgericht Bamberg (AG) anvertraut worden.
Der langjährige Lebensgefährte der im Jahr 2021 verstorbenen Erblasserin beantragte - gestützt auf ein Testament aus dem Jahr 2017 - einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte. Die gesetzlichen Erben waren jedoch der Ansicht, dass die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer Demenzerkrankung bereits nicht mehr dazu in der Lage war, ein wirksames Testament zu errichten. Von besonderer Bedeutung war für das Gericht im vorliegenden Fall, dass der polnischstämmige Lebensgefährte, der seit etwa 20 Jahren mit der Erblasserin zusammenlebte, nur gebrochen Deutsch sprach; das handschriftliche Testament enthielt in Sprache, Rechtschreibung und Grammatik deutliche Hinweise, dass der Wortlaut nicht von der Erblasserin selbst stammte.
Neben dem eingeholten Sachverständigengutachten zur Schwere der Erkrankung kam das AG deshalb auch zur Überzeugung, dass Text und Inhalt des Testaments von dem Lebensgefährten "vorgegeben" wurden und das Testament nicht Ausdruck des freien Willens der Erblasserin war. Den gesetzlich berufenen Erben wurde ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt.
Hinweis: Dem nichtehelichen Lebensgefährten steht kein gesetzliches Erbrecht zu. Soll dieser im Fall des Todes bedacht werden, ist hierfür zwingend die Errichtung eines Testaments oder eines notariellen Erbvertrags notwendig. Die Errichtung eines gemeinschaftlichen handschriftlichen Testaments ist nur Eheleuten vorbehalten.
Quelle: AG Bamberg, Beschl. v. 02.08.2022 - RV 56 VI 1518/21
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Neben der Eigenhändigkeit bei der Errichtung eines privatschriftlichen Testaments ist auch erforderlich, dass der Erblasser das Dokument auch mit dem Willen errichtet, eine letztwillige Verfügung erstellen zu wollen. Beispielsweise ist der handschriftliche Entwurf eines Testaments noch keine wirksame letztwillige Verfügung. Mit der Frage, ob es sich um einen erkennbar letzten Willen oder nur um den Entwurf eines solchen handelte, musste sich das Oberlandesgericht Hamm (OLG) auseinandersetzen.
Dem Rechtsstreit lag eine Auseinandersetzung über die Wirksamkeit einer testamentarischen Verfügung zugrunde. Die Erblasserin hatte zusammen mit ihrem Ehemann verschiedene notarielle Testamente und zuletzt im Jahr 2003 ein handschriftliches Ehegattentestament errichtet. Die Enkelin der Erblasserin war der Ansicht, dass diese letzten Testamente nicht mit Testierwillen verfasst worden seien. Dies folge bereits daraus, dass die Erblasserin und ihr Ehemann sämtliche früheren letztwilligen Verfügungen notariell haben beurkunden lassen. Aus diesem Grund bestünden Zweifel an der Echtheit der Urkunden.
Dieser Argumentation ist das OLG im Ergebnis nicht gefolgt. Kraft Gesetzes ist bei einem eigenhändigen Testament, das den Formanforderungen entspricht, davon auszugehen, dass es sich um ein wirksames Testament handelt. Ergeben sich aus den äußeren Umständen keine Besonderheiten und entspricht das Testament im Übrigen auch den Anforderungen an die Eigenhändigkeit, ist regelmäßig auch von der Ernstlichkeit des Testierwillens bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung auszugehen.
Hinweis: Will ein Erblasser lediglich den Entwurf eines privatschriftlichen Testaments erstellen und erfolgt dies handschriftlich, muss das Schriftstück sicherheitshalber auch als "Entwurf" gekennzeichnet werden, da anderenfalls davon auszugehen ist, dass es sich bereits um die beabsichtigte letztwillige Verfügung handelt.
Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 11.08.2022 - 10 U 68/22
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Haben Erben die Befürchtung, dass unbekannte Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind, gibt es die Möglichkeit, ein sogenanntes Aufgebotsverfahren einzuleiten. Sinn dieses Verfahrens ist es, Nachlassgläubiger auf diesem Weg aufzufordern, ihre Forderungen anzumelden. Kommen die Nachlassgläubiger dieser Aufforderung nicht nach, werden den Erben weitreichende Möglichkeiten eingeräumt, sich gegen diese nachträglichen Forderungen zur Wehr zu setzen - so wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Celle (OLG).
Hier hatte die Nachlassverwalterin einen Antrag auf Aufgebot der Nachlassgläubiger gestellt und ein Verzeichnis der bislang bekannten Gläubiger beigefügt. In dem Antrag hieß es, dass die Gläubiger des bezeichneten Nachlasses unter Fristsetzung aufgefordert werden, ihre Rechte als Nachlassgläubiger anzumelden. Andernfalls werden sie von den Erben nur insoweit Befriedigung verlangen können, als sich nach der Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger noch ein Überschuss ergibt. Dieses Aufgebot wurde öffentlich bekanntgemacht. Im Juni 2022 erfolgte der sogenannte Ausschließungsbeschluss, mit dem "neue" Gläubiger von der Geltendmachung von Forderungen weitgehend ausgeschlossen werden.
Nach Fristablauf meldete sich ein weiterer Gläubiger, der in der Auflistung der Gläubiger nicht enthalten war. Die Forderung wurde durch den Gläubiger bei der Nachlassverwalterin geltend gemacht. Aus diesem Grund hat das Amtsgericht der Beschwerde auch nicht abgeholfen, da es der Ansicht war, dass die Forderungsanmeldung zwingend bei Gericht zu erfolgen habe.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Gläubigers war erfolgreich. Zwar war auch das OLG der Ansicht, dass die Forderungsanmeldung zwingend beim Nachlassgericht zu erfolgen habe. Das Aufgebot leide aber an einem erheblichen Verfahrensmangel, der zur Aufhebung des Beschlusses führe. In dem Aufgebot sei zwingend auch der Adressat - eben das Gericht! - anzugeben, bei dem die Ansprüche geltend gemacht werden müssen. Fehlt es an dieser Angabe, liegt ein erheblicher Mangel der Entscheidung vor, so dass das Aufgebotsverfahren erneut durchzuführen war.
Hinweis: Die Antragsberechtigung für das Aufgebot besteht für jeden Miterben, aber auch für den Nachlasspfleger und Nachlassverwalter. Grundsätzlich gilt: Wird eine Forderung zu spät angemeldet, wird sie nur nachrangig befriedigt, soweit der Nachlass hierfür ausreicht.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 07.09.2022 - 6 W 100/22
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Ein handschriftliches Testament ist vom Erblasser eigenhändig zu errichten. Streiten sich die Erben über die Wirksamkeit einer testamentarischen Verfügung, muss gegebenenfalls die Echtheit der Urkunde festgestellt werden. Ob hierfür die Einholung eines Schriftgutachtens zwingend erforderlich ist, musste im folgenden Fall das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) beantworten.
Der Erblasser hatte zunächst im Jahr 1995 mit seiner kurz darauf verstorbenen ersten Ehefrau ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament errichtet, in dem beide sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten. Von den beiden Kindern der Eheleute wurde lediglich der Sohn als Schlusserbe eingesetzt. In einem weiteren handschriftlichen Testament aus dem Jahr 2017 setzten sich der Erblasser und seine zweite Ehefrau jeweils zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Erblassers stritten sich der Sohn und die zweite Ehefrau nun um die Stellung als Alleinerbe. Das Nachlassgericht kam nach erfolgter Beweisaufnahme und insbesondere nach einem selbst durchgeführten Schriftvergleich zum Ergebnis, dass das im Jahr 1995 errichtete Testament vom Erblasser geschrieben und von den Eheleuten unterschrieben worden sei. Hierzu hat das Gericht vorgelegte Schriftproben eindeutig dem Erblasser bzw. seiner vorverstorbenen Ehefrau zuordnen können.
Liegen laut OLG keine besonderen Umstände vor, die gegen eine eigenhändige Errichtung eines privatschriftlichen Testaments sprechen, genügt es, wenn der mit dem Fall betraute Richter selbst die Schriftzüge des ihm vorliegenden Testaments mit anderen Schriftproben vergleicht und dieses Ergebnis würdigt. Die Einholung eines Gutachtens zur Echtheit eines eigenhändigen Testaments ist nur in Zweifelsfällen notwendig. In dem hier behandelten Fall hatte das zur Folge, dass die zweite Ehefrau als gewillkürte Alleinerbin des Erblassers anzusehen war. Denn sowohl das erste Testament, dem das Gericht keine wechselseitigen Verfügungen entnehmen konnte, als auch das zweite waren formwirksam errichtet.
Hinweis: Bestehen Zweifel an der Echtheit einer handschriftlich erstellten testamentarischen Verfügung, sollten Schriftproben aus den Nachlassgegenständen zu Vergleichszwecken gesichert werden.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 16.10.2022 - 3 W 130/21
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Die folgende Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) zeigt, dass ein Gericht durchaus auf pragmatische Wege verweisen kann, etwa Verfahren zu verkürzen oder gar zu vermeiden. Hier traf es die Kollegen des Nachlassgerichts, die sich in einem Erbscheinsverfahren an geltende Regeln zu halten meinten. Dass es hierbei aber auch einfacher ginge, zeigt der folgende Beschluss des OLG.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte eine Erbin einen gemeinschaftlichen Erbschein, der die vier Kinder der Erblasserin zu Miterben zu je einem Viertel ausweisen sollte. Das Nachlassgericht wies die Antragstellerin mehrfach darauf hin, dass dem Antrag nicht entsprochen werden könne, da eine weitere Erbin vorhanden sei. Nachdem die Antragstellerin hierauf nicht reagierte, wurde der Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Die Antragstellerin erhob daraufhin nicht nur gegen diese Entscheidung Beschwerde; sie beantragte zudem - nunmehr dem Hinweis des Nachlassgerichts folgend - einen Erbschein, der die vier Kinder der Erblasserin sowie eine weitere Person als Erben zu je einem Fünftel auswies. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dies damit begründet, dass über einen geänderten Antrag im Beschwerdeverfahren nicht entschieden werden könne.
Das OLG hat diese Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an das Nachlassgericht zurückverwiesen. Zwar sei es grundsätzlich richtig, dass in einem Beschwerdeverfahren eine Antragsänderung oder ein neuer Antrag nicht zulässig sind. Eine Entscheidung kann schließlich nicht auf Verfahrensgegenstände ausgedehnt werden, die nicht bereits Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung waren. Das OLG ist aber der Ansicht, dass ein Antrag auch dann noch rechtzeitig gestellt sei, wenn er zusammen mit der Beschwerde eingereicht werde. Denn so habe auch das Nachlassgericht bereits die Möglichkeit, seine eigene Entscheidung abzuändern, bevor die Angelegenheit vom OLG zu behandeln ist.
Hinweise: Da die Beschwerde beim Nachlassgericht als Ausgangsgericht eingelegt werden muss, ist es zwingend erforderlich, dass ein geänderter Antrag zusammen mit der Beschwerde eingereicht wird. Eine Antragsänderung ist nicht mehr möglich, wenn diese erst nach Einlegung der Beschwerde erfolgt. In diesem Fall kann nur ein neuer kostenpflichtiger Antrag gestellt werden.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 13.09.2022 - 3 W 83/22
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Zum Thema Familienrecht
- Automatische Namensangleichung: Sechsjähriger muss sich formell einem Antrag auf Namensänderung anschließen
- Entführtes Kind: Keine Rückführung zum Vater ins Kriegsgebiet Ukraine
- Undokumentierte Vergleichsgrundlage: Vorsicht bei der Doppelfunktion von Renten bei Versorgungsausgleich und Unterhalt
- Unterhalt ab 2023: Düsseldorfer Tabelle aktualisiert
- der ersten Altersstufe (bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres) 312 EUR,
- der zweiten Altersstufe (bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres) 377 EUR,
- der dritten Altersstufe (vom 13. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit) 463 EUR
- und für Volljährige im Haushalt eines Elternteils 378 EUR zu zahlen.
- 1.120 EUR beträgt nun der Mindestselbstbehalt gegenüber minderjährigen und privilegierten Kindern,
- 250 EUR Zuschlag gibt es für Erwerbstätigkeit sowie gegegenenfalls einen Wohnkostenzuschlag (enthalten sind 520 EUR Warmmiete),
- 1.385 EUR Mindestselbstbehalt hat man gegenüber seinem Ehegatten,
- 125 EUR Zuschlag gibt es für Erwerbstätigkeit sowie gegebenenfalls einen Wohnkostenzuschlag (enthalten sind 580 EUR Warmmiete),
- 1.650 EUR dürfen Eltern für sich behalten gegenüber Studenten (inklusive 650 EUR Warmwohnkosten).
- Versorgungsausgleich langjährig Versicherter: Auch Grundrentenzuschlag muss ausgeglichen werden
Wenn zwei Kinder dieselben Eltern haben, sollte man meinen, dass es keine großen Fragen zu ihren Nachnamen geben sollte. Weit gefehlt, wie der folgende Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) beweist. Warum am Ende beide Geschwister unterschiedliche Nachnamen haben werden, lesen Sie hier.
Ein unverheiratetes Paar hat zwei Kinder, geboren 2014 und 2018. Das erste Kind hatte den Nachnamen der Mutter erhalten, die bei dessen Geburt allein sorgeberechtigt war. Das zweite Kind sollte den Nachnamen des Vaters bekommen. Dazu gingen die beiden direkt nach dessen Geburt zum Notar, vereinbarten dies sowie das gemeinsame Sorgerecht, das sie Jahre später auch für das ältere Kind beim Notar beurkundeten. Zur Namenswahl machten sie in diesem Dokument keine Angaben. Doch Anfang 2020 änderte das Standesamt den Geburtsnamen des ersten - inzwischen sechs Jahre alten - Kindes auch auf den Nachnamen des Vaters. Ausschlag gab der gesetzgeberische Wille, dass in der Regel alle Kinder eines Elternpaars zumindest bei gleichen Sorgerechtsverhältnissen den gleichen Geburtsnamen tragen sollen. Im Gesetz ist die Rede davon, dass eine solche Namenswahl auch die "weiteren" Kinder betrifft - wobei unklar ist, ob damit nur die "nachfolgend Geborenen" gemeint sein sollen oder auch ältere Geschwister, die bereits einen Nachnamen haben. Wie auch immer: So hatte die Mutter das nicht gewollt. Sie klagte dagegen an und bekam durch drei Instanzen bis zum BGH Recht. Zu diesem Zeitpunkt war das Kind acht Jahre alt und trug seit zwei Jahren offiziell den Nachnamen des Vaters.
Ob mit dem gesetzgeberischen Willen nur "nachfolgend Geborene" gemeint sein sollen oder auch ältere Geschwister, die bereits einen Nachnamen haben, war für die Urteilsfindung des BGH nicht ausschlaggebend. Es wird bei Kindern ab dem sechsten Geburtstag nämlich davon ausgegangen, dass eine Namensänderung ihnen nicht unwichtig ist. Das Kind lernt dann typischerweise, seinen vollständigen Namen zu schreiben, erhält Zeugnisse und Bescheinigungen mit Vor- und Familiennamen und identifiziert sich zunehmend nicht nur mit seinem Vornamen, sondern auch mit seinem Familiennamen. Deshalb müssen sich Kinder ab sechs Jahren formell einem Antrag auf Namensänderung anschließen. Dazu hätte das Kind aber durch beide sorgeberechtigte Eltern vertreten werden müssen, aber die Mutter hatte diese "automatische" Angleichung an das Geschwisterkind ja ausdrücklich nicht gewollt. Weil es also an der Zustimmung der Mutter - als Mitsorgeberechtigte - fehlte, wurde der Nachname des mittlerweile Achtjährigen wieder auf den der Mutter zurückgeändert.
Hinweis: Ab dem 14. Geburtstag haben Kinder auch ohne ihre Eltern ein Mitspracherecht bei Anträgen auf Namensänderung.
Quelle: BGH, Beschl. v. 21.09.2022 - XII ZB 504/21
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Der Ukrainekrieg hat längst auch die Familiengerichte erreicht. Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hatte sich mit dem Antrag eines ukrainischen Vaters zu befassen, der nicht damit einverstanden war, dass die Mutter im März 2022 mit dem Baby (geboren 2021) nach Deutschland geflohen war.
Die Familie hatte zusammen in Odessa gelebt, wo es zu Luftangriffen durch die russische Armee gekommen war. Die Eltern waren bei Fliegeralarm mit dem Kind in ein Auto geflüchtet und hatten die Nächte in einer Tiefgarage verbracht. Die Mutter nahm das Kind auf ihrer Flucht mit, der Vater durfte wegen der Generalmobilmachung der Ukraine nicht ausreisen. Er begehrte im Oktober 2022 im Eilverfahren die Rückführung nach dem Haager Übereinkommen betreffend internationale Kindesentführung (HKÜ). Nachdem das Amtsgericht (AG) das abgelehnt hatte, verlangte er vor dem OLG hilfsweise, dass das Kind in die Republik Moldau gebracht werden müsse. Er habe dort bereits eine Wohnung für Mutter und Kind angemietet.
Wie das AG bestätigte auch das OLG, dass es sich hierbei zwar um eine internationale Kindesentführung gehandelt habe, deren Rechtsfolge es im Grundsatz ist, dass das Kind in den Ausgangsstaat zurückgeführt werden müsse. Die internationalen Abkommen sehen eigentlich nicht vor, dass das Land, in dem das Kind sich befindet, eine Kindeswohlprüfung durchführt. Die steht nur dem Land zu, in dem das Kind bis zur Entführung gelebt habe. Mit dem Grundsatz "status quo ante" soll verhindert werden, dass der Entführer sich der Rechtsprechung eines Staates entziehen und im Zufluchtsstaat das Verfahren zwecks aufwendiger Kindeswohlprüfung verzögern kann.
Zugleich gibt es aber hier eine Härteklausel. Und die wandten beide Gerichte angesichts der Kriegsssituation an. Das Auswärtige Amt habe für das gesamte Land eine Reisewarnung ausgesprochen. Nach Auswertung der Nachrichtensituation sei nicht davon auszugehen, dass es in der Ukraine sichere Orte gebe. Das Kind könne durch eine Rückführung in Lebensgefahr geraten. Die Möglichkeit, das Kind in die Nähe des Vaters, nämlich in die Republik Moldau, zu bringen, scheiterte daran, dass das HKÜ so etwas nicht vorsieht, dort keine internationale Zuständigkeit für Sorgerechtsstreitigkeiten gegeben war und die Mutter zu diesem Kompromiss nicht bereit war.
Hinweis: Das OLG verhandelte mit dem Vater - der ja nicht ausreisen durfte - und dessen ukrainischem Rechtsanwalt per Videokonferenz. Die Corona-Situation hat die technischen Ausrüstungen der Gerichte und die Bereitschaft der Richter zu Videoverhandlungen vielerorts beschleunigt.
Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.10.2022 - 17 UF 186/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Wenn bei einer Scheidung beide Eheleute erwerbsunfähig sind und einer von beiden Leistungen aus einer privaten Invaliditätsvorsorge (Berufsunfähigkeits(BU)-Versicherung oder Unfallversicherung) bezieht, spielen diese Zahlungen eine Doppelrolle: Zum einen stellen sie Lohnersatzeinkünfte dar, die in der Unterhaltsberechnung auftauchen, zum anderen sind solche privaten Renten beim Versorgungsausgleich zu teilen. Im Folgenden musste der Bundesgerichtshof (BGH) eine getroffene Einigung auf Billigkeitsvorschriften prüfen.
Hier hatten sich die Eheleute über den Unterhalt schon vergleichsweise geeinigt. Doch der Unterhaltsvergleich ließ in den Augen der Familienrichter nicht erkennen, welche Rolle die BU-Rente rechnerisch gespielt hatte. Es waren nämlich neben dem Unterhalt auch noch Haus sowie Zugewinn in ein Gesamtpaket gepackt und verrechnet worden. Da auch die Eheleute den Überblick verloren hatten und im Nachhinein folglich auch völlig widersprüchliche Vorstellungen dazu hatten, was die Basis ihrer Einigung gewesen war, teilte der Amtsrichter die BU-Rente im Versorgungsausgleich hälftig.
Das genügte den Ansprüchen des BGH jedoch nicht - er gab die Sache zurück, um Billigkeitsvorschriften beim Versorgungsausgleich zu prüfen. Denn ein Versorgungsausgleich findet nicht statt, sobald er grob unbillig wäre. Und genau das ist der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der hälftigen Teilung abzuweichen. Dies kommt nach der Rechtsprechung des Senats insbesondere dann in Betracht, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte an dem im Versorgungsausgleich auszugleichenden Anrecht bereits auf andere Weise partizipiert hat. Das konnte der BGH nach Aktenlage aber nicht selbst aufklären und wies die Sache an das zuständige Oberlandesgericht zurück.
Hinweis: Es gibt gute Gründe dafür, zu jeder Vereinbarung auch zu dokumentieren, was deren exakte Grundlagen waren.
Quelle: BGH, Beschl. v. 10.08.2022 - XII ZB 83/20
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Ab Januar 2023 gilt eine neue Düsseldorfer Tabelle für den Unterhalt minderjähriger Kinder. Die Zahlbeträge haben sich um monatlich 25 EUR und mehr (je nach Alter und Einkommensgruppe) erhöht, gleichzeitig hat sich auch das Kindergeld (das in dem Haushalt verbleibt, in dem das Kind wohnt) auf monatlich 250 EUR erhöht.
In Fällen, in denen der Unterhalt dynamisch tituliert ist (durch Jugendamtsurkunde, Notarvertrag, Gerichtsbeschluss), muss der Unterhaltspflichtige die Erhöhung selbst recherchieren - beispielsweise auf der Website des Oberlandesgerichts (OLG) - und unaufgefordert den korrekten Betrag überweisen.
Wenn ledigich der sogenannte Mindestunterhalt gezahlt werden muss, sind für Kinder
Auch für die älteren Kinder wurden die Bedarfssätze angepasst. Studenten und anderen Volljährigen außer Haus wird ab 2023 ein Bedarf von 930 EUR (inkl. 410 EUR Warmwohnkosten) zugesprochen. Wenn sich nach der Lebensstellung der Eltern ein höherer Bedarf ermittelt, kann davon nach oben abgewichen werden. Krankenversicherungskosten und Studiengebühren kommen ebenso hinzu wie ein eventuell konkreter Wohnkostenzuschlag. Auf den Zahlbetrag sind die 250 EUR Kindergeld anzurechnen, die der kindergeldberechtigte Elternteil weiterleiten muss. Den Restbedarf teilen die Eltern im Verhältnis ihrer Einkünfte.
Für Unterhaltspflichtige, bei denen die Situation insgesamt knapp ist, gibt es 2023 Entlastung.
Bei Ansprüchen auf Elternunterhalt ist mit Rücksicht auf die Regelungen des Angehörigenentlastungsgesetzes schon seit 2021 - und somit auch wieder 2023 - von der Angabe eines konkreten Betrags für den Selbstbehalt abgesehen worden. Bis Ende 2022 gibt es dazu noch keine veröffentlichten Gerichtsentscheidungen, und damit besteht weiterhin eine große Unsicherheit bei der korrekten Berechnung.
Hinweis: Die Tabelle hat keine Gesetzeskraft, sondern stellt eine Richtlinie dar. Sie ist nur ein Hilfsmittel, das Raum für eigene Beurteilungen und Angemessenheitskontrolle hat. Das wird in der außergerichtlichen Praxis oft nicht wichtig genug genommen. Relevant bei der Anwendung sind außerdem die Leitlinien des OLG, in dessen Bezirk das Kind wohnt. Insbesondere stößt die Trennung von Bar- und Betreuungsunterhalt in Familien mit erweitertem Umgang oder gar im Wechselmodell an Grenzen. Es lässt sich nicht übersehen, dass der Tabelle ein Familienbild der 70er-/80er-Jahre zugrunde liegt (die erste Düsseldorfer Tabelle stammt aus dem Jahr 1979) - der Reformbedarf ist bekannt.
Quelle: OLG Düsseldorf v. 04.12.2022
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Neu beim scheidungsbedingten Versorgungsausgleich ist der Grundrentenzuschlag, der eine Erhöhung der Rente für langjährig Versicherte mit geringem Erwerbseinkommen nach 33 Jahren Beitragszahlung vorsieht. Er wird gesondert ermittelt und entsprechend separat geteilt. Ob man aus diesem Zuschlag später Rentenleistungen erhalten wird, hängt von Faktoren ab, die der Richter zum Scheidungszeitpunkt meist nicht kennen kann - beispielsweise von den Einkommensverhältnissen im Rentenalter. Dieser offenen Fragestellungen musste sich kürzlich das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) annehmen.
Eine Ehefrau wehrte sich dagegen, dass sie bei der Scheidung Punkte von ihrem Grundrentenzuschlag abgeben sollte. Sie meinte, es sei bereits jetzt absehbar, dass dem Ehemann diese Punkte gar nichts nützen werden, weil er anderweitig genug Einkommen habe, das auf diesen Teil der Rente angerechnet werde. Sie machte daher die Unwirtschaftlichkeit geltend.
Zu einer solchen Prognose sahen sich die Richter des OLG nicht in der Lage und übertrugen die Rentenpunkte der Frau an den Mann. Es sei nicht ermittelbar, wie hoch die Einkünfte des Mannes im Alter sein würden. Bis zum jetzigen Zeitpunkt überschreite er die maßgeblichen Anrechnungsgrenzen jedenfalls noch nicht.
Hinweis: Bei Geringfügigkeit unterbleibt im Übrigen der Ausgleich. Die Geringfügigkeitsgrenzen werden jährlich neu festgelegt und lagen 2022 bei 3.948 EUR Kapital oder 32,90 EUR Monatsrente (West).
Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 15.11.2022 - 7 UF 193/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Zum Thema Sonstiges
- Ausgeglichene CO2-Bilanz: Wann ein Produkt mit der Aussage "klimaneutral" beworben werden darf
- Betreiber bedauert Hygienekonzept: Wer im Hotel die Nichteinhaltung der Corona-Regeln befürchten muss, darf kostenlos stornieren
- Nachträgliche Belastungsstörung: Fluggesellschaft muss für nachweisbare Beeinträchtigung der psychischen Integrität aufkommen
- Online-Verleumdung: Links zu falschen Darstellungen müssen auch gelöscht werden
- Reise in der Pandemie: Kein Wettbewerbsverstoß, wenn kommunikativ auf Gutscheinoption statt auf Stornierung gesetzt wird
Die Verbraucher werden sensibler, was ihren Konsum hinsichtlich ihres sogenannten CO2-Fußabdrucks angeht. Dass Werbeaussagen zur Umweltverträglichkeit daher genau unter die Lupe genommen werden müssen, versteht sich von selbst. Genau mit dieser Aufgabe war das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) auf Betreiben eines Mitbewerbers des hier beklagten Unternehmens befasst.
Ein Unternehmen vertrieb verschiedene Markenhaushalts- und Hygieneartikel unter einer Eigenmarke, darunter auch Müllbeutel. Die hier relevanten Müllbeutel wurden mit dem Hinweis "klimaneutral" beworben. Ein Wettbewerber war damit nicht einverstanden und hielt die Werbung für unlauter. Nachdem eine Abmahnung nichts brachte, wurde eine Klage erhoben mit dem Antrag, die Werbung für Müllbeutel mit der Angabe "klimaneutral" zu untersagen - das jedoch vergeblich.
Die Werbeaussage "klimaneutral" für eine Ware sei in Augen des OLG nicht per se irreführend. Diese auf einem Müllbeutel aufgedruckte Werbeaussage lässt auch nicht etwa darauf schließen, dass das herstellende Unternehmen ausschließlich klimaneutrale Ware produziere. Anders als der unscharfe Begriff der "Umweltfreundlichkeit" enthält der Begriff der Klimaneutralität eine eindeutige Aussage - und zwar die Erklärung, dass die damit beworbene Ware eine ausgeglichene CO2-Bilanz aufweist. Die Angabe "klimaneutral" müsse hingegen nicht bedeuten, dass die ausgeglichene Bilanz durch gänzliche Emissionsvermeidung bei der Produktion erreicht werde.
Hinweis: Ob ein Produkt wirklich klimaneutral ist oder nicht, lässt sich für Verbraucher oftmals nicht nachvollziehen. Nur der Glaube an die Hersteller reicht vielen nicht aus, Alternativen sind jedoch häufig nicht sichtbar.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 30.06.2022 - 6 U 46/21
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Als nach den ersten harten Corona-Maßnahmen das Reisen unter bestimmten Bedingungen wieder möglich schien, hofften viele auf die dringend nötige Erholung - auch der Kläger im folgenden Fall, mit dem das Amtsgericht Schmallenberg (AG) befasst wurde. Denn hier schlug die Hoffnung des Mannes und seiner Familie schnell in Entäuschung um - der Hotelbetreiber zeigte Verständnis für Impfgegner. Ob daraufhin die Reisestornierung möglich war, lesen Sie hier.
Ein Mann hatte für sich und seine Familie im Januar 2022 in einem Familienhotel für vier Tage ein Dreiraumappartement zum Tarif "All-Inclusive-Premium" für 2.120 EUR gebucht. Zwei Wochen vor Reisebeginn erhielt er ein E-Mail-Rundschreiben des Hotels. Darin stand neben Weihnachtswünschen auch das folgende Statement zum von einer Behörde abgenommenen Hygienekonzept: "... Wir werden seit Wochen per Verordnung dazu gedrängt, Menschen auszugrenzen; denn es gelte 2G für Privatreisende und 3G bei Geschäftsreisen. Das fällt uns schwer. Und wir haben gleichzeitig Verständnis für Menschen, die sich die Injektionen aus unterschiedlichen Gründen nicht verabreichen lassen wollen ...." Unmittelbar nach Erhalt dieses Rundschreibens stornierte der Mann seine Buchung, da er nach dem Rundschreiben und einer Recherche im Internet befürchtete, dass in dem Hotel die Corona-Regeln nicht eingehalten würden.
Schließlich klagte er mit Erfolg auf Rückzahlung der bereits angezahlten 1.060 EUR. Das AG meinte nämlich, dass ein Hotelier, der den Rechtsschein setzt, dass er die Corona-Schutzverordnung nicht nur ablehne, sondern auch zu umgehen versuche, mit Stornierungen rechnen muss. Es ist einem Gast, der die Corona-Pandemie offenkundig ernst nimmt, schlicht nicht mehr zuzumuten, mit seiner Familie in einem solchen Hotel zu übernachten und Urlaub zu machen. Der Mann konnte somit die komplette Rückzahlung der bereits geleisteten Anzahlung verlangen.
Hinweis: Es war für das Gericht völlig unerheblich, ob das Hotel tatsächlich gegen Bestimmungen der Corona-Schutzverordnung verstoßen habe oder nicht. Allein die Äußerungen reichten, um ernsthafte Befürchtungen zu hegen, dass gegen die Hygienevorschriften verstoßen werde.
Quelle: AG Schmallenberg, Urt. v. 29.06.2022 - 3 C 32/22
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Dass es trotz aller Sicherheitsvorkehrungen in der Luftfahrt zu beängstigenden Vorfällen kommen kann, ist nicht auszuschließen. Ob eine Fluggesellschaft für psychische Folgen nach einer Notfallevakuierung aufkommen muss, musste als Grundsatzfrage zuerst vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklärt werden, damit der Einzelfall in Österreich behandelt werden konnte.
Eine Flugpassagierin hatte nach einer Notfallevakuierung eines Flugzeugs eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) erlitten und verklagte daraufhin die österreichische Fluggesellschaft auf Schadensersatz. Die Klägerin hatte das Flugzeug über den Notausstieg verlassen müssen und war durch den sogenannten Jetblast eines Triebwerks mehrere Meter durch die Luft geschleudert worden. Der österreichische Oberste Gerichtshof legte die Angelegenheit dem EuGH mit der Frage vor, ob eine Fluglinie für eine psychische Beeinträchtigung Schadensersatz leisten müsse.
Der EuGH urteilte, dass Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens von Montreal dahin auszulegen ist, dass für eine psychische Beeinträchtigung, die ein Fluggast durch einen Unfall im Sinne dieser Bestimmung erlitten hat, in gleicher Weise Schadensersatz zu leisten ist wie für eine Körperverletzung. Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass der Fluggast eine Beeinträchtigung seiner psychischen Integrität nachweist, die von solcher Schwere oder Intensität ist, dass sie sich auf seinen allgemeinen Gesundheitszustand auswirkt und nicht ohne ärztliche Behandlung abklingen kann.
Hinweis: Es kann also auch Ausgleichszahlungen für psychische Unfallfolgen im Zusammenhang mit einer Flugreise geben. Die Beweislage dabei ist natürlich nicht immer ganz einfach, wie bei allen rein psychischen Auswirkungen. Trotzdem sollten sich Betroffene deshalb keine allzu großen Sorgen machen. Denn im Zweifel können Gutachter die Kausalität feststellen.
Quelle: EuGH, Urt. v. 20.10.2022 - C-111/21
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Wer sich gegen Verleumdungen zur Wehr setzen will, muss besonders in unseren digitalen Zeiten einen langen Atem und ein dickes Fell beweisen. Gut, wenn man Gerichte wie das Oberlandesgericht Celle (OLG) an seiner Seite weiß. Denn das folgende Urteil zeigt, welche Pflichten bestehen, wenn im Internet falsche Darstellungen von Personen zu löschen sind - vor allem, im welchem Umfang.
Auf einer Internetplattform wurde über eine Frau ein Artikel verbreitet mit folgender Überschrift: "Jugendhilfestation O.: Ist Frau K. S. eine Kinderrechteschänderin?" Zudem wurden in verschiedenen Gruppen der Internetplattform Links unter der Überschrift verbreitet. Dagegen ging die Frau vor, und zwar erfolgreich. Dem Antragsgegner wurde daraufhin aufgegeben, es zu unterlassen, über die Frau zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, sie sei eine Kinderrechteschänderin. Zwar löschte der Antragsgegner den Beitrag auf der Internetplattform tatsächlich, doch es kam zu dem Phänomen, das Internetusern altbekannt ist: Die Links waren nach wie vor (hier innerhalb von zwei Gruppen) abrufbar. Daher beantragte die Frau nun ein Ordnungsgeld über 1.000 EUR wegen schuldhafter Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungsverfügung. Dagegen legte der Antragsgegner eine Beschwerde ein - jedoch vergeblich.
Eine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungsverfügung kann in Augen des OLG auch dadurch verwirklicht sein, dass der Unterlassungsschuldner zwar den ursprünglichen Beitrag löscht, nicht aber eine von ihm vorgenommene Verlinkung auf diesen Beitrag entfernt. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich diesem Link der Kern der zu unterlassenden Äußerung ebenfalls entnehmen lässt.
Hinweis: Wer öffentlich verleumdet wird, kann dagegen effektiv vor den Gerichten vorgehen. Ein entsprechend versierter Rechtsanwalt kann dabei helfen, die Rechte durchzusetzen. Unwahrheiten über eine Person, die auch nach Jahren noch im Internet zu finden sind, sollte es nicht geben.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 19.08.2022 - 5 W 25/22
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Auch wenn die Pandemie größtenteils überwunden scheint - die Gerichte wird sie noch eine ganze Weile beschäftigen. In diesem Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) ging es um die Frage, ob das Nichterwähnen einer Stornierungsmöglichkeit einer Reise während der Pandemie automatisch einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstellt.
Hier klagte eine Verbraucherzentrale gegen eine Reiseveranstalterin von Pauschalreisen. Vom 28.05.2020 bis zum 08.07.2020 befand sich auf der Internetseite der Reiseveranstalterin ein Hinweis, dass sie wegen vieler Anfragen schwer erreichbar sei. Gäste würden in der Reihenfolge ihrer Abreise unaufgefordert kontaktiert, das Team erarbeite gerade alternative Angebote für Reisen im nächsten Jahr. Weiter hieß es: "Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihre Traumreise ... um ein Jahr verschieben ...". Ferner bat die Reiseveranstalterin darum, aktuell von Rückfragen abzusehen, "bis das Schreiben bei Ihnen ist". Die Verbraucherzentrale meinte nun, durch die Hinweise würden Kunden davon abgehalten, ihre Reise gegen Rückerstattung des Reisepreises zu stornieren, und klagte wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht.
Das OLG meinte jedoch, dass ein Gutschein statt einer Stornierung nicht unlauter sei. Biete ein Reiseveranstalter seinen Kunden eine Umbuchung einer pandemiebedingt nicht durchführbaren Reise an, ohne ausdrücklich auf die Möglichkeit der Stornierung gegen Rückerstattung des Reisepreises hinzuweisen, ist dies nicht automatisch ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Das gilt jedenfalls, solange der Verbraucher nicht über den optionalen Charakter des Angebots getäuscht wird.
Hinweis: Nur weil ein Verhalten nicht wettbewerbswidrig ist, muss es noch lange nicht heißen, dass es auch im Verhältnis zum Reisenden rechtmäßig ist. Verlangt ein Reisender wegen einer ausgefallenen Reise eine Entschädigung oder die Erstattung seines Reisepreises, kann der Anwalt des Vertrauens helfen.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.09.2022 - 6 U 191/21
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2023)
Ratgeber Recht
Unsere Schleswig-Holsteinische Rechtsanwaltskammer veröffentlicht zusammen mit der Rechtsanwaltskammer Koblenz regelmäßig aktuelle Verbraucherhinweise zu aktueller Rechtsprechung und Gesetzesänderungen auf der Seite www.Ihr-Ratgeber-Recht.de.
Dieser Ratgeber dient der Information und ersetzt keine anwaltliche Beratung - sprechen Sie uns daher gerne auf weitergehende Fragen oder die Bedeutung für Ihren Fall an!
Unsere Rechtsanwaltskammer erreichen Sie bei Interesse auch ganz zeitgemäß über Facebook oder über die Website unter http://rak-sh.de.
Dieses Angebot unserer Kammer bedeutet einen deutlichen Mehrwert auch für unsere Mandanten!
Neu: Ratgeber Recht auch auf dem Smartphone
Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) bietet verschiedene Apps für den Verbraucher zur Nutzung auf dem Smartphone an, welche zur ersten Orientierung bei Rechtsfragen sehr hilfreich sein können. Sowohl im Verkehrsrecht als auch im Familienrecht macht es dann oft einen erheblichen Unterschied, ob Sie frühzeitig mit anwaltlicher Hilfe tätig werden.
Als Anwälte und Anwältinnen Ihres Vertrauens helfen wir Ihnen gerne weiter!
Blutalkoholrechner
Sie möchten wissen, wie sich Alkoholkonsum auf den Blutalkoholspiegel auswirkt? Der Blutalkoholrechner des Deutschen Anwaltvereins hilft Ihnen weiter. Was das für Ihren Fall bedeutet, erläutert Ihnen unser Fachanwalt für Verkehrsrecht.
Bußgeldrechner
Sie haben eine rote Ampel übersehen oder sind geblitzt worden? Mit der App des Deutschen Anwaltvereins können Sie direkt Ihr Bußgeld ermitteln. Die Einschaltung eines Fachanwalts für Verkehrsrecht hilft bei der Schadensbegrenzung.
Laden im App Store
Android App bei Google Play
Unterhaltsrechner
Mit der Unterhalts-App lässt sich ein guter erster Eindruck gewinnen, welchen Unterhaltsanspruch Sie oder ein Angehöriger / Ehepartner voraussichtlich haben. Anwaltliche Beratung stellt sowohl für Unterhaltsberechtigte als auch für Unterhaltsverpflichtete sicher, dass der Unterhalt im Einzelfall richtig berechnet wird.